Tod den Unsterblichen by Frederik Pohl

Tod den Unsterblichen by Frederik Pohl

Autor:Frederik Pohl [Pohl, Frederik]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fischer Orbit 02
veröffentlicht: 2013-12-19T05:00:00+00:00


10

Master Carl knipste das Bitte-nicht-stören-Zeichen an seiner Tür an und öffnete die Rollwand, die seine kleine Dunkelkammer vor den flüchtigen Blicken der Studentenhaushälterinnen verbarg. Er schämte sich nicht des Hobbys, das ihn in der Dunkelkammer arbeiten ließ; es ging sie nur nichts an. Carl schämte sich keiner der Dinge, die er tat. Sein Zimmer bewies das; es trug den Stempel all seiner Interessengebiete. Auf drei Brettern standen halbgelöste und vergessene Schachprobleme, deren Figuren ein Dutzend Studentenzimmermädchengenerationen hochgehoben, abgestaubt und wieder hingestellt hatten. An den creme- und lilafarbenen Wänden hingen eingerahmte Reproduktionen minoischer Szenen und Inschriften, die zehnjährigen Überreste seiner statistischen Untersuchung der Grammatik in Liniatur B. Ein Karton, der einst zwei Dutzend Sätze von Rhine-Karten enthalten hatte (und immer noch fünf ungeöffnete enthielt), zeugte von den zwei Jahren, die er damit verbracht hatte, um zu seiner eigenen Genugtuung ein für allemal zu demonstrieren, daß Telepathie unmöglich war.

Der Beweis beruhte auf einer Analogie, aber Master Carl hatte sich selbst vergewissert, daß die Analogie gültig war. Wenn, nahm er an, telepathische Kommunikation sich unter die allgemeinen Gleichungen der Einheitlichen Feldtheorie einreihen ließ, mußte sie unter eine der zwei möglichen Kategorien darin fallen. Sie konnte modulierbar sein, wie das elektromagnetische Spektrum; oder sie konnte rein quantitativ sein, wie die Materiewellenfelder. Er schloß die zweite Möglichkeit sofort aus, denn sie implizierte, daß jeder Gedanke von jeder Person innerhalb der Reichweite empfangen würde, und die Beobachtung verneinte das rundweg.

Also mußte die Telepathie, wenn es sie überhaupt gab, modulationsfähig sein. Daraufhin wandte Carl seine Analogie an. Kristalle mit identischer Struktur ertönen bei derselben Frequenz. Nun gibt es Menschen mit identischer Struktur, die sogenannten eineiigen Zwillinge. Zwei Jahre lang hatte Master Carl den größten Teil seiner Freizeit damit verbracht, Testpaare eineiiger Zwillinge aufzustöbern und zu überreden. Es dauerte zwei Jahre und nicht mehr, denn so lange brauchte er, um dreihundertsechsundzwanzig Paare zu finden; und dreihundertsechsundzwanzig war die Größe, die in diesem mikrophysikalischen System der Minimalforderung für eine Chiralitätstransformation genügte und eine statistische Aussage ermöglichte. Als die dreihundertsechsundzwanzig Zwillingspaare es nicht geschafft hatten, wesentlich häufiger gleichartige Kartensymbole zu ziehen, als es nach der Wahrscheinlichkeitstheorie zu erwarten war, hatte Carl das Experiment sofort beendet.

Nach der zweijährigen Arbeit war Carl weder böse noch besonders hoffnungsvoll. Es kam ihm nicht in den Sinn, mit einem dreihundertsiebenundzwanzigsten Paar weiterzumachen. Allerdings erlaubte er sich, unverzüglich andere Aspekte dessen zu erforschen, was früher Psionik genannt wurde.

Vorahnung schloß er aus logischen Gründen aus; über Hellsehen dachte er mehrere Monate lang nach, ehe er entschied, daß es, wie die Vermutung, daß fliegende Untertassen von außerirdischer Herkunft seien, zu wenig Möglichkeiten für eine experimentelle Verifikation bot, um ein reizvolles Studium zu sein. Hexerei schaltete er aus, weil sie nicht unbedingt Telepathie oder Hellsehen mit einbezog. Nicht die Fälle, bei denen das Opfer wußte, daß es behext war, stellten ein Problem dar; die meisten davon ließen sich einfacher Suggestion zuschreiben; ein Mann, der die Wachspuppe mit den darin steckenden Nadeln erblickte oder dem der Zauberer sagte, daß seine Fußnägel geröstet werden sollten, vermag mühelos zu erkranken und vor Angst zu sterben.



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